Echtes Teamwork von Forschung und Lehre

Warum sind Sie Professor geworden?

Jens Kirchner: Anders als in der Industrie kann ich als Professor frei forschen. Ich setze meine eigenen Schwerpunkte und langfristigen Ziele und kann über neue Forschungsthemen frei entscheiden. Aber es gibt noch einen weiteren Punkt: Wenn ich mein eigenes Verständnis über technisch-physikalische oder medizinische Zusammenhänge, gerade neue Erkenntnisse aus der aktuellen Forschung, anderen beibringen kann und merke, dass dieser Erkenntnisgewinn für sie genauso stimulierend ist wie für mich, dann macht das unglaublich viel Spaß. Forschung ist etwas Wundervolles, und diese Begeisterung bei Studierenden zu wecken, zu fördern und ihnen die Techniken zu verleihen, eigene Projekte voranzutreiben und sich eigenen Forschungsthemen zu stellen, ist großartig.

Was hat Sie an die FH Dortmund geführt?

Die Ausschreibung hatte einfach dazu gepasst, woran ich damals geforscht habe. Außerdem wurde darin betont, dass Forschung und Lehre wirklich sinnvoll und fruchtbar miteinander verbunden werden sollen. Auch beim Vorstellungsgespräch hatte ich den Eindruck, mit den Menschen am Fachbereich auf einer Linie zu sein. Und so hat es sich dann auch bewahrheitet.

Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?

Wir arbeiten aktuell mit magnetischen Nanopartikeln in der Tumortherapie. Mit deren Hilfe können Medikamente viel gezielter eingesetzt werden. Die Chemotherapie hat das große Problem, dass die Medikamente nach der Injektion ins Blut vom Herz-Kreislauf-System im ganzen Körper verteilt werden. Nur ein kleiner Teil erreicht tatsächlich den Tumor, während das Medikament in anderen Bereichen des Körpers unerwünschte Nebenwirkungen auslöst. Mit den Nanopartikeln können wir dem entgegenwirken: Stellen Sie sich die Partikel vereinfacht als kleine Eisenkügelchen vor, die wir mit einem Medikament beladen. Mit einem starken Magneten werden die Partikel in die Richtung des Tumors gelenkt, sodass ein deutlich größerer Anteil des Medikaments dort ankommt, wo es wirken soll. Die Behandlung wird dadurch wirksamer. Gleichzeitig lassen sich die Nebenwirkungen reduzieren und die Menge des verabreichten Medikaments vermindern. Das ist die Idee, und wir arbeiten zusammen mit unseren Partnern an ihrer Umsetzung. Dabei kooperieren wir mit dem Universitätsklinikum Erlangen und der Berliner Charité sowie mit verschiedenen technisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Lehrstühlen in Deutschland. Die bisherigen Erkenntnisse sind vielversprechend, außerdem sind weitere Einsatzmöglichkeiten vorstellbar.

Welche?

Zum Beispiel in der Hyperthermie: Man bringt ebenfalls die Partikel zum Tumor und erhitzt sie dann mithilfe von Magnetfeldern, sodass sie den Tumor entweder direkt schädigen oder für andere Therapien empfänglicher machen. Außerdem werden die Partikel als Kontrastmittel in der Bildgebung eingesetzt, um die Bildqualität zu verbessern. Interessant sind die Nanopartikel auch für die molekulare Kommunikation. Das ist ein relativ junges Forschungsfeld, das Informationsübertragung zum Ziel hat, allerdings nicht wie die etablierten Verfahren mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen. Vielmehr orientiert sich die molekulare Kommunikation daran, wie im Körper Informationen häufig übermittelt werden: mit Hilfe von Molekülen, zum Beispiel über Neurotransmitter, Insulin oder Hormone. Das möchte man nun auch technisch umsetzen. Anwendungen liegen insbesondere in der Biomedizintechnik, zum Beispiel beim Datenaustausch zwischen Implantaten, bei Lab-on-a-Chip-Systemen oder eben auch bei der Medikamentengabe. Und dafür brauchen wir Moleküle oder Nanopartikel, die körperverträglich sind und sich gleichzeitig gut detektieren lassen.

Wie erleben Sie die Arbeit an Ihrem Fachbereich für Informationstechnik?

Als ausgesprochen kollegial. Bei Fragen gibt es immer jemanden, der weiterhilft. Unser Fachbereich ist vergleichsweise jung (gegründet 2017, Anm.d.Red.), einige Professuren sind noch zu besetzen, da gibt es wirklich Arbeit zu leisten, aber eben auch viele Gestaltungsmöglichkeiten. Bei den anfallenden Aufgaben helfen alle mit viel Elan mit und stimmen sich dabei untereinander ab.
Gleichzeitig ist der Austausch mit den Studierenden einfach toll. Wir haben viele sehr motivierte Studierende, die uns auch Feedback geben. Die Studierenden, die Mitarbeitenden und die Lehrenden erlebe ich als Gemeinschaft, die wirklich zusammenarbeitet. Das ist für die Lehre überaus bereichernd – und für meine Forschung eine wichtige Voraussetzung.

Wie kommt Ihre Forschung der Lehre zugute?

Wenn ich in den Lehrveranstaltungen Anwendungsbeispiele aus der eigenen Forschung hinzuziehen kann, ist es viel lebendiger als abstrakte Projekte aus der Literatur. Die Erfahrung, an relevanten, aktuellen Forschungen der eigenen Hochschule teilzuhaben, ist für die Studierenden sehr motivierend. Toll ist besonders die Möglichkeit, Teilaspekte der Forschungsprojekte als Projekt- oder Abschlussarbeiten anzubieten. Davon haben alle etwas und es entsteht ein enorm fruchtbarer Austausch: in den Einzelgesprächen, wenn sich die Studierenden bei Problemen gegenseitig helfen, oder auch wenn bei den Laborbesprechungen alle zusammenkommen: Doktorand*innen ebenso wie jene, die an ihrer Projekt-, Bachelor- oder Masterarbeit schreiben. Das motiviert ungemein, und wenn alles gut läuft, werden sie schon während ihres Studiums zu Autor*innen von Papern und können an Konferenzen teilnehmen. Das ist am Anfang sicherlich anstrengend, sie müssen auf hohem Niveau arbeiten und Deadlines einhalten. Aber wenn sie es geschafft haben und auf einer Konferenz ihre eigenen Ergebnisse vorstellen, dann ist das schon sehr, sehr cool.