„Antidiskriminierungsbeauftragte“: Berliner Bündnis ruft Wortgetüm des Jahres aus
Dieses Klischee hat seine Berechtigung: Bandwurmwörter gehören einfach zur deutschen Sprache und insbesondere zur deutschen Verwaltung. Während viele darüber nur die Stirn runzeln, sind sie für Menschen mit geringen Lese- und Schreibkenntnissen eine echte Hürde.
Am Montag hat eine Berliner Initiative genau darauf aufmerksam gemacht. Erstmals haben Betroffene das „Wortgetüm des Jahres“ gekürt. Der Gewinner: „Antidiskriminierungsbeauftragte“.
Eine achtköpfige Jury aus Betroffenen, die in Berliner Lerncafés und Alphabetisierungskursen aktiv sind, prüfte acht besonders sperrige Begriffe aus einer Vorauswahl des „Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache“ (DWDS), das an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt ist.
Die Vorauswahl traf das DWDS auf Basis von Sprachanalysen. So identifizierte es zwischen 2021 und 2025 besonders häufig verwendete komplexe Begriffe.
Das 31 Buchstaben lange Gewinnerwort bekam die meisten Stimmen. Durch die vielen einzelnen Bestandteile, teils aus anderen Sprachen, wird es in einer Pressemitteilung als „sehr komplex und dadurch sowohl schwer lesbar als auch schwer verständlich“ beschrieben.
Ironischerweise bezeichnet es eine Stelle, die eigentlich helfen soll, Benachteiligungen abzubauen. Stattdessen wird das Wort für manche Betroffene offenbar selbst zur Barriere.
Viele Erwachsene haben Probleme mit dem Lesen und Schreiben
Hinter dem Preis steckt also ein ernstes Thema und ein reales Problem: Mehr als sechs Millionen Erwachsene in Deutschland tun sich laut der Level-One-Studie (LEO) von 2018 mit dem Lesen und Schreiben schwer. Für sie können etwa Amtsbriefe mit Fachbegriffen und langen zusammengesetzten Substantive zum unüberwindbaren Hindernis werden.
Die Organisator:innen, darunter die Stiftung Grundbildung Berlin, die Berliner Alpha-Bündnisse und das DWDS, wollen mit der jährlichen Kür zeigen, dass Sprache nicht nur verbindet, sondern auch ausschließen kann.
Ob das „Wortgetüm“ mehr ist als ein symbolischer Fingerzeig, muss sich erst zeigen. Behördenpost in leichter Sprache, verständliche Formulare oder schlicht kürzere Amtsbezeichnungen sind auch Gegenstand gut gemeinter Reformen und Gesetze. In der Regel scheitern sie aber am Spagat zwischen Einfachheit und rechtlicher Präzision. (Tsp)