EU-Kommission schlägt erneuten Aufschub von Gesetz gegen Abholzung vor
Nach einem Vorschlag der Europäischen Kommission könnte eine umstrittene EU-Verordnung gegen Abholzung zum zweiten Mal verschoben werden. EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall schlug in Brüssel vor, das Gesetz solle Ende des kommenden Jahres greifen – ein Jahr später als bislang geplant. Bis zur neuen Frist könnten die Vorgaben für Unternehmen abgeschwächt werden. Die 27 EU-Mitgliedsländer sowie das Europaparlament müssen nun über den Aufschub verhandeln.
Roswalls Vorschlag zufolge sollen die Vorschriften für große Unternehmen ab Ende 2026 greifen, für kleine und mittlere Firmen verschöbe sich der Stichtag auf den 30. Juni 2027. Als Grund für die aktuelle Verschiebung nannte Roswall "Bedenken bei den IT-Systemen" wegen der großen zu verarbeitenden Datenmenge. Die Kommission geht davon aus, dass die Technik den erwarteten Anforderungen nicht gerecht werden würde und es zu negativen Auswirkungen auf Handelsströme kommen könnte.
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten sollte eigentlich ab Ende 2024 angewendet werden. Das Gesetz verbietet den Verkauf von Produkten, deren Anbaugebiete nach 2020 abgeholzt wurden. Neben Kaffee, Palmöl und Soja gilt dies auch für Kakao, Kautschuk und Rindfleisch.
Unternehmen sollen laut dem Gesetz die Einhaltung mithilfe von satellitengestützten Ortsdaten in den Anbauländern sicherstellen und an die EU berichten. Zahlreiche Wirtschaftsbereiche hatten die geplante Verordnung wegen mangelnder Zeit zur Vorbereitung kritisiert, darunter die Süßwarenindustrie und die Zeitungsverleger.
Forderungen nach Ausnahmen von Berichtspflichten
Auf Druck Deutschlands und zahlreicher weiterer Mitgliedsländer hatte die EU das Gesetz im vergangenen Jahr schon einmal verschoben. Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP), der größten Fraktion im Europaparlament, forderten bereits am Dienstag, die Vorgaben abzuschwächen. Sie setzten sich unter anderem für eine sogenannte Nullrisikokategorie ein: Diese würde zahlreiche Staaten von den Berichtspflichten für Unternehmen ausnehmen.
"Regionen und Produkte, bei denen keinerlei Gefahr der Entwaldung besteht, müssen unbürokratisch und ohne zusätzliche Nachweispflichten behandelt werden", forderte die CDU-Europaabgeordnete Christine Schneider. Im vergangenen Jahr hatte der Rat der 27 Mitgliedsländer einen solchen Vorschlag abgelehnt.
Während der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese die nun vorgeschlagene Verschiebung begrüßt, kommt Kritik aus der SPD. "Ursula von der Leyen legt die Verordnung
unter fadenscheinigen Gründen auf Eis", sagte die SPD-Europaabgeordnete
Delara Burkhardt. Man könne ein Gesetz nicht zweimal verschieben,
während Tausende Unternehmen längst bereitstünden, um es umzusetzen.
Druck auch aus den USA
Das EU-Gesetz gegen Abholzung steht außerdem
unter Druck aus den USA. Auf dem Papier hat die EU-Kommission bereits
Zugeständnisse an die Regierung von US-Präsident Donald Trump gemacht. In
einer gemeinsamen Handelserklärung von Ende August sagte die
EU-Kommission zu, "Bedenken von US-Produzenten und -Exporteuren" im
Zusammenhang mit dem Gesetz gegen Abholzung auszuräumen, "um
unangemessene Auswirkungen auf den US-EU-Handel zu vermeiden".
Laut EU-Umweltkommissarin Roswall habe der vorgeschlagene Aufschub nichts mit den Zusagen an die US-Regierung zu tun. Die SPD-Europaabgeordnete Burkhardt hingegen wirft der Kommission vor, dem Druck aus Washington nachgegeben zu haben.