Ein Quantum Hype
Wer in der Google-Suchzeile das Wort "Quantencomputer" eingibt, bekommt Ergänzungen wie "Preis", "Aktie" oder "kaufen" vorgeschlagen. Der Algorithmus hat verstanden: Hier winkt Geld, Quanten-Aktien sind heiß.
Tatsächlich gibt es um nur wenige physikalische Themen einen solchen Hype: Quantencomputer sollen bald alle herkömmlichen Rechner überflügeln, Passwörter knacken und ihren Besitzern enorme Wettbewerbsvorteile verschaffen. Bloß sind die meisten Versprechungen weit überzogen; es gibt noch nicht einmal einen Prototyp, der solche Erwartungen rechtfertigen würde. Unter Physikern zirkuliert das spöttische Wort vom "Qombie", das die Quanten mit den Zombies vereint und auf die Nichtexistenz solcher Wundergeräte anspielt.
All das weiß natürlich auch das Stockholmer Nobelpreiskomitee. Zugleich wünscht es sich breite Aufmerksamkeit für seine Ehrungen. Zudem haben die Vereinten Nationen 2025 zum "Internationalen Jahr der Quantenforschung und -technik" erklärt, weil vor hundert Jahren erstmals die mathematische Formulierung der Quantenmechanik glückte.
Ein diplomatisches Meisterstück
Angesichts dieser Ausgangslage darf man die Wahl der diesjährigen Physik-Preisträger als diplomatisches Meisterstück bezeichnen: Denn einerseits hat die Arbeit von John Clarke, Michel Devoret and John Martinis einen Bezug zum Thema Quantencomputer, sodass auch die schwedische Akademie vom Aufmerksamkeits-Hype profitiert. Andererseits liegt die Arbeit der drei so lange zurück und ist so grundlegend, dass man gar nicht in Verlegenheit kommt, über den aktuellen Stand der Quantentechnik und mögliche Übertreibungen reden zu müssen.
Mitte der 1980er-Jahre haben die drei Ausgezeichneten in den USA an der University of California mit dem sogenannten Tunneleffekt experimentiert. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Quantenobjekte (wie Elektronen oder Atome) sogar Wände durchdringen können, die eigentlich unüberwindlich sind. Denn Quantenobjekte können sich sowohl als Teilchen wie als Welle verhalten – und dank dieser Doppelnatur stehen ihnen auch scheinbar "unmögliche" Wege offen.
Clarke, Devoret und Martinis haben demonstriert, dass nicht nur einzelne Elektronen "tunneln" können, sondern dass dies auch bei einem Kondensat aus sehr vielen Teilchen möglich ist – ein "makroskopischer quantenmechanischer Tunneleffekt", wie es in der Nobel-Würdigung heißt. Und genau dieser Effekt erlaubt heute den Bau winziger Computerchips und gilt daher als Basis zukünftiger Quantenrechner.
Das Nobelkomitee ist allerdings vorsichtig genug, nur von den "Möglichkeiten zur Entwicklung künftiger Quantentechnologie" zu sprechen, nicht davon, dass es diese bereits gäbe. Auch Nobelpreisträger John Clarke, der bei der Verkündigung gefragt wurde, was seine Entdeckung denn nun mit dem Quantencomputer zu tun habe, antwortete eher zurückhaltend: "Mir ist nicht wirklich klar, wie das zusammenpasst."
Skepsis herrschte auch auf der Konferenz zur offiziellen Feier des 100-jährigen Jubiläums der Quantentheorie im Juni dieses Jahres. Er sehe derzeit "keine ökonomisch sinnvollen" Anwendungen für Quantencomputer, urteilte da der MIT-Professor Isaac Chuang, Autor eines Standardwerks über Quantencomputing. Und der Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger warnte: Bis Quantencomputer wirklich Ergebnisse lieferten, werde es noch 10 oder 20 Jahre dauern.
Vom Kauf von Quanten-Aktien jedenfalls raten Quantenphysiker eher ab.