Wie gefährlich ist die Vogelgrippe?

Fast 200.000 Nutztiere wurden bereits getötet – und mit dem herbstlichen Vogelzug breitet sich die Seuche noch schneller aus. Das Risiko für weitere Ausbrüche in Geflügelbetrieben und für die Verbreitung unter Wildvögeln ist hoch. Warum dieses Jahr so viele Kraniche sterben, wie hoch das Risiko für den Menschen ist und was die Ausbrüche für die Tierzucht bedeuten. Die wichtigsten Fragen zur Vogelgrippe

Wie ist die derzeitige Lage?

Seit Anfang September wurden zahlreiche Vogelgrippefälle gemeldet. In Geflügelbetrieben gab es seit dem 1. September mindestens 15 Ausbrüche. Mehr als 150.000 Vögel wurden vorsorglich getötet, etwa in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg. Aber auch Tausende Wildvögel sind betroffen. Allein bei Linum, einem Ort in Brandenburg, der für vorbeiziehende Kraniche bekannt ist, starben mehr als 1.000 Tiere.

Die aktuelle Unterlinie von H5N1 aus Asien kursiert seit 2006 in Europa und hat sich nach und nach so gut an Wildvögel angepasst, dass sie sich seit 2021 beinahe weltweit verbreitet hat. Der aktuelle Ausbruch in Deutschland zeigt aber eine besonders große Dynamik. "Die Fälle tauchen in sehr kurzer Zeit auf", sagt Martin Beer, Fachtierarzt für Mikrobiologie und Virologie am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), das für die Bekämpfung von Tierseuchen zuständig ist. "Das heißt: Die epidemische Kurve ist sehr steil – auch wenn die absolute Zahl der Geflügelausbrüche noch nicht höher ist als in den Jahren zuvor."  

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Was ist das für eine Krankheit?

Aviäre Influenza leitet sich vom lateinischen Begriff für Vogel (avis) ab und ist eine durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die vor allem bei wild lebenden Wasservögeln anzutreffen ist. Gefährlich ist nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts die hochansteckende Virusvariante HPAIV, die derzeit als H5N1 grassiert. Sie führt bei infizierten Tieren in der Regel zu schweren Verläufen und endet oft tödlich. Umgangssprachlich wird die Geflügelpest meist Vogelgrippe genannt.

Die Vögel erkranken dann, ähnlich wie Menschen, an Grippe. Manche Vogelgrippeviren und Varianten sind tödlicher als andere und breiten sich nicht nur in den Atemwegen, sondern in zahlreichen Organen aus.

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Woran erkennt man ein erkranktes Tier?

Laut Friedrich-Loeffler-Institut werden die betroffenen Vögel häufig apathisch und fressen nicht mehr. Weitere Kennzeichen sind Durchfall, häufig auch Atembeschwerden oder dass ein Sekret aus Augen und Schnabel austritt. Bei Hühnern ist außerdem bemerkbar, dass sie weniger Eier legen, Schwellungen am Kopf entwickeln und ihr Gefieder glanzlos wirkt.

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Ist die Vogelgrippe für Menschen gefährlich?

Eine Ansteckung ist prinzipiell möglich, aber sehr, sehr unwahrscheinlich, wenn man nicht direkt mit infizierten Vögeln oder deren Exkrementen zu tun hat. In Deutschland gibt es bis heute keinen einzigen Fall, weltweit sind 990 Ansteckungen seit 2003 registriert. Fast immer hatten die Menschen direkten Kontakt zu infizierten Tieren. Übertragungen zwischen Familienmitgliedern, die kranke Angehörige pflegen, sind in den vergangenen 20 Jahren vereinzelt dokumentiert. Allerdings war das Virus nur sehr schwer übertragbar, es gab keine weitere Ausbreitung.

Einmal infiziert, scheint das Virus allerdings beim Menschen extrem tödlich zu sein: Weltweit starb seit 2003 laut der europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC fast die Hälfte der Infizierten. Der derzeit in den USA kursierende Virenstamm HPAIV scheint aber deutlich harmloser zu sein: Dort steckten sich zwischen November 2024 und Mai 2025 70 Menschen an, meist an Kühen oder Hühnern. Im Schnitt dauerte die Infektion vier Tage, war recht mild, vier Personen mussten ins Krankenhaus, eine starb. Wissenschaftlerinnen spekulieren, dass die derzeitige Virusvariante eher den oberen Rachen befällt und nicht die Lunge, weshalb sie deutlich weniger tödlich ist. Außerdem sind die Infektionen in den USA früh erkannt und mit antiviralen Mitteln behandelt worden. Die genauen Gründe, warum das jetzige Virus im Menschen milder erscheint, sind aber noch unklar.

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Wie überträgt sich das Virus?

Das Virus überträgt sich zum einen über eine Tröpfcheninfektion, also die Atemwege und über den Kot. Das passiert besonders dann, wenn Vögel eng zusammen sind und auch nur kurz mit einem infizierten Tier Kontakt hatten. Zum anderen kann der Kot eines infizierten Vogels auch ein ganzes Gewässer kontaminieren oder an Schuhen, Reifen oder durch Tiere mit Bodenkontakt weiter verbreitet werden. "Ein Gramm Kot kann so viel Virus enthalten, dass sich Tausende Tiere damit infizieren könnten – wenn sie direkten Kontakt damit hätten", sagt Martin Beer vom FLI. Zuchttiere infizieren sich meistens durch den direkten Kontakt mit infizierten Wildvögeln oder wenn der Mensch das Virus in den Stall trägt.

Das Virus kann sich auch auf Säugetiere übertragen, auch wenn das bisherigen Erkenntnissen zufolge seltener passiert. In den USA wurde das Vogelgrippevirus in Milchkühen gefunden. In Europa wird die Gefahr bei Kühen als gering eingeschätzt. Untersuchungen zeigen eine Übertragung bislang nur für wild lebende Säugetiere, etwa bei Füchsen, Waschbären und Dachsen. Zahlreiche Tiere tragen Antikörper, die den Kontakt mit H5-Viren belegen.

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Kann das Virus durch Fleisch und Eier übertragen werden?

Theoretisch ist das möglich, allerdings gibt es kaum Berichte darüber. Auch in den USA, wo sich das Virus in Kühen ausbreitet, ist das bisher nicht passiert. Bisher hat sich dort laut der Seuchenschutzbehörde CDC auch niemand an Rohmilch angesteckt – dennoch warnt die Behörde davor, sie zu trinken. Von dort kommt auch eine Studie, nach der das Virus theoretisch 120 Tage in Rohmilchkäse nachweisbar ist. Allerdings ist unklar, ob das auch zu einer Ansteckung führen kann. Derartige Übertragungen sind bisher nicht bekannt. Und: In Europa sind keine Kühe infiziert.  

Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung konzentriert sich deshalb auf den Umgang mit Eiern und Hühnerfleisch: Eine Temperatur von mindestens 70 Grad Celsius für zwei Minuten bis in den Kern des Fleischs töte alle Viren ab, eine rosa Farbe sollte es nicht mehr haben. Eier infizierter Tiere können das Virus innen und außen enthalten, das Institut empfiehlt deshalb, keine rohen Eier zu essen und das Frühstücksei hart zu kochen.

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Was bedeutet die Vogelgrippe für Tierzüchter und Tierhalter?

Gibt es in einem landwirtschaftlichen Betrieb Vogelgrippefälle, müssen vorsorglich alle Tiere gekeult, also getötet, werden. Weil die Gefahr für eine Ausbreitung vom FLI als hoch eingestuft wird, müssen Halter Vögel in einen Stall holen, sodass kein Kontakt zu Wildvögeln möglich ist. Landwirte sind angehalten, strenge Hygienemaßnahmen einzuhalten, um das Virus nicht in die Betriebe zu tragen.

Die industrielle Landwirtschaft ist anfällig für große Schäden durch das Virus: Je mehr Tiere der gleichen Art auf engstem Raum zusammenleben, desto leichter überträgt sich das Virus. "Gleichzeitig können sich große Betriebe auch einfacher schützen und hermetisch abriegeln", sagt Martin Beer. "Für viele Kleinbauern, etwa in Asien, wo Geflügel vielleicht im Hinterhof oder unter einfacheren Bedingungen gehalten wird, ist das schwieriger."

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Sind Haustiere gefährdet und muss die Vogeltränke weg?

Katzen und Hunde können sich anstecken, allerdings scheint das selten der Fall zu sein. Eine Studie sammelte etwas mehr als 300 Fälle innerhalb von 20 Jahren, in denen Katzen an Vogelgrippe gestorben sind. In den USA starben einige Katzen, nachdem sie Rohmilch mit Vogelgrippeviren geschlabbert hatten – und in Polen sprach eine Tierärztin im Frühjahr von 85 toten Katzen. Sie mahnte aber zur Ruhe: Gemessen am Bestand der Tiere seien das sehr wenige. Es scheint also nicht nötig, Katzen einzusperren. Fälle bei Hunden sind noch seltener: Kanada meldete 2023 den Tod eines Hundes, nachdem er auf einer verendeten Wildgans herumgekaut hatte.

Die Vogeltränke im Garten müsse auch niemand abbauen, schreibt der U.S. Fish and Wildlife Service. Singvögel sowie Tauben können zwar Vogelgrippe haben, aber deutlich seltener als etwa Kraniche.

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Welche Rolle spielen Zugvögel?

Das Virus zirkuliert auch unter wild lebenden Vogelarten. Die Vögel können das Virus in sich tragen, ohne zu erkranken oder zu sterben, verbreiten können sie es aber weiterhin. Gerade Zugvögel, die weite Strecken zurücklegen, können dadurch zu einem Vektor für das Virus werden – also dazu beitragen, dass sich das Virus in neue Regionen ausbreiten kann. Mittlerweile wurde H5N1 auf allen Kontinenten bis auf Australien nachgewiesen. Durch die Vogelzugsaison im Herbst sind die Fälle von Vogelgrippe zuletzt auch in Deutschland sprunghaft angestiegen. Seit September wurde das Virus bei Wildgänsen, Schwänen, Möwen und vor allem Kranichen nachgewiesen. 

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Warum sterben so viele Kraniche?

Kraniche sind derzeit besonders stark betroffen. Über 2.000 Tiere sind deutschlandweit bereits gestorben. Noch ist unklar, warum die Vogelgrippe in diesem Herbst gerade die Kraniche so hart trifft. Es gibt einige Faktoren, die eine Ansteckung bei Kranichen begünstigen: Kraniche sind soziale Tiere. Sie leben eng beieinander in großen Gruppen, und während der Zugsaison treffen an manchen Rastplätzen Zehntausende Vögel aufeinander. Dazu kommt, dass Kraniche weite Zugstrecken zurücklegen und dabei mit vielen anderen Vogelarten in Berührung kommen. Und anders als etwa bei Enten endet die Vogelgrippe bei Kranichen oft tödlich. 

Bislang seien die Kraniche weitestgehend von der Vogelgrippe verschont geblieben, sagt Fachtierarzt Martin Beer vom Friedrich-Loeffler-Institut. In Deutschland sei es bisher noch nie zu einem derartigen Ausbruch gekommen. Deshalb gebe es unter den Vögeln keine Herdenimmunität – sodass die Vogelgrippe sich in diesem Jahr stark verbreiten konnte. 

Norbert Schneeweiß betreut den brandenburgischen Kranichrastplatz Linum seit 25 Jahren. Jedes Jahr übernachten dort 60.000 bis 80.000 Kraniche und noch einmal so viele Wildgänse, sagt er. Aber in diesem Jahr sammelt er gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern die Kadaver von Hunderten Kranichen ein. "Das ist ein furchtbar trauriger Anblick", sagt er. Die Kadaver nun einzusammeln sei auch deshalb wichtig, damit es nicht zu einer weiteren Ausbreitung der Vogelgrippe kommt. Denn zwischen den toten Tieren rasten noch viele Artgenossen. Auch andere Arten, etwa Greifvögel wie Bussarde oder Seeadler, können sich anstecken, wenn sie sich a den Kadavern bedienen. Trotzdem geht Schneeweiß davon aus, dass sich die Kranichpopulation insgesamt von dem Ausbruch erholen wird. "Erfreulicherweise haben wir in den letzten Jahrzehnten eine beträchtliche Aufwärtsentwicklung der Kranichpopulation verzeichnet", sagt er. Durch den Naturschutz sei der Bestand der Kraniche in Europa inzwischen relativ stabil. Über Deutschland fliegen während des Kranichzugs jedes Jahr mehr als hunderttausend Tiere.

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Wie kann man die Seuche eindämmen?

Die Ausbreitung unter den Wildvögeln lässt sich kaum kontrollieren. Der Schutz der Nutztiere ist deshalb umso wichtiger, vor allem um Sekundärinfektionen zwischen Betrieben zu verhindern. Die Ausbreitung unter den Wildvögeln lässt sich kaum kontrollieren. Der Schutz der Nutztiere ist deshalb umso wichtiger, vor allem um Sekundärinfektionen zwischen Betrieben zu verhindern.

In betroffenen Landkreisen wird in der Regel eine Stallpflicht ausgerufen, Geflügel muss also im Stall oder in überdachten Käfigen gehalten werden. Auf die Sicherheit in landwirtschaftlichen Betrieben sollte streng geachtet werden. Dazu gehört, dass etwa Tiere nur Frischwasser bekommen und Tränken nicht mit Oberflächenwasser aus Flüssen oder Seen gefüllt werden. Außerdem sollten Reifen von Autos oder Traktoren desinfiziert werden, genauso wie alle Gegenstände, die das Virus in die Ställe tragen können. Wichtig ist das frühe Testen kranker oder toter Tiere auf H5N1. Positiv getestete Bestände werden in der Regel gekeult, also getötet. 

Es gibt auch eine Impfung gegen die Vogelgrippe. Diese flächendeckend auszurollen, ist aber teuer und kann zu ökonomischen Nachteilen führen, weil einige Länder keine geimpften Tiere importieren. In Frankreich wurde trotzdem zahlreich Geflügel geimpft. In den USA wurde das Impfstoffprogramm gestoppt.

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