"Sollte es Leben außerhalb der Erde geben, ist das ein guter Ort, um danach zu suchen"

Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 47/2025. 

DIE ZEIT: Herr Aschbacher, von Ihnen stammt die Geschichte einer fiktiven europäischen Astronautin namens Aurora, die im Jahr 2035 zum Mond fliegt. Die erzählten Sie einmal bei einer Esa-Veranstaltung. Wenn hingegen derzeit übers All gesprochen wird, geht es vor allem um Geopolitik und Souveränität. Haben wir die schönen Visionen verloren?

Josef Aschbacher: Nein, die Vision lebt. Die aktuelle Strategie der Europäischen Raumfahrtagentur bis zum Jahr 2040 enthält den Aufbau einer Mondökonomie mit Astronauten und Robotern, auch die Erkundung des Mars und anderer Teile des Universums.

ZEIT: In Bremen kommen nun Ministerinnen und Minister aus den 23 Mitgliedsländern der Esa zusammen, um über deren künftige Ausrichtung zu entscheiden. Schon vor drei Jahren hieß es, die europäische Raumfahrt stehe "an einem Scheideweg globaler Veränderungen". Und heute?

Aschbacher: Europa muss in vielen Bereichen stärker und unabhängiger werden: auch im Weltraum und in der Verteidigung. Russlands Angriff auf die Ukraine hat unser Sicherheitsbewusstsein komplett verändert.

ZEIT: Auch das Verhältnis zu den USA ändert sich. Hätte Europa früher reagieren müssen?

Aschbacher: Ja. Europas Anteil an den weltweiten öffentlichen Investitionen in den Weltraumsektor ist sogar geschrumpft: 2019 lag er noch bei 15 Prozent, 2024 waren es zehn Prozent. So riskieren wir, die besten Unternehmen und Leute zu verlieren.

ZEIT: Unabhängiger werden, was heißt das konkret?

Aschbacher: Das heißt mit anderen zusammenarbeiten, aber nicht auf sie angewiesen sein. Die Nasa ist und wird ein wichtiger Partner bleiben. Wir arbeiten auch mit Indien, Japan, Südkorea, den Vereinigten Arabischen Emiraten und vielen anderen Ländern zusammen. Kanada spielt eine wichtige Rolle als einziges nichteuropäisches Land, das direkt an optionalen Esa-Programmen teilnehmen kann. Aber Europa muss Eigenes aufbauen. Bei der Satellitennavigation und der Erdbeobachtung ist uns das schon gelungen. Da sind unsere Systeme Galileo und Copernicus weltweit führend.

ZEIT: Wo herrscht noch Nachholbedarf?

Aschbacher: In der Telekommunikation.

ZEIT: Hier baut Elon Musk mit Starlink gerade ein globales Datennetz auf.

Aschbacher: Die EU wird gemeinsam mit einem kommerziellen Konsortium mit dem Satellitenprogramm Iris2 Internet aus dem Weltraum bereitstellen, und wir unterstützen sie dabei. Für die Raketen ist es unser Ziel, häufiger starten zu können. Bei unserer European Launcher Challenge sind bereits fünf Firmen im Rennen, zwei davon aus Deutschland, Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg. Sie werden dazu beitragen, die europäische Autonomie langfristig zu stärken, mit kostengünstigen Raketen – und potenziell auch mit wiederverwendbaren.

ZEIT: Was glauben Sie, wann die erste wiederverwendbare Rakete aus Europa fliegt?

Aschbacher: Darüber entscheidet die Industrie. Die Esa ist die Kundin, die für Raketenstarts bezahlt. Wir helfen aber in der Technologieentwicklung, insbesondere beim Komplexesten: dem Raketenantrieb. Ein Beispiel dafür ist das Prometheus-Triebwerk, das mit der einstufigen, wiederverwendbaren Rakete Themis getestet wird. Ein erstes Mal kurz abheben soll sie Anfang 2026.