Kommt jetzt endlich der große Regen?: Das Frühjahr könnte das trockenste seit 144 Jahren werden
Seit Wochen kein nennenswerter Regen, Böden, die immer tiefer austrocknen, und ein Himmel, der kaum eine Wolke gezeigt hat: Deutschland steuert auf das trockenste Frühjahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 zu. Die Karten des Deutschen Wetterdienstes färben sich von grün zu braun – ein Warnsignal für Landwirte, Förster, Gärtner und viele Kommunen.
Zwar haben in einigen Regionen nun erste Schauer und Gewitter eingesetzt, doch dies bleibt bislang weitgehend wirkungslos. „Wenn es bis Ende Mai nicht zu nachhaltigen Niederschlägen kommt, wird die Lage für die Landwirtschaft zunehmend kritisch“, warnt Andreas Brömser, Agrarmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Besonders gefährdet sind die Kulturen, die erst vor wenigen Wochen ausgesät wurden. Ihre flach wurzelnden Pflanzen könnten ohne baldige Entlastung austrocknen.
Das Wetter steckt fest – im wahrsten Sinne des Wortes. Stabile Hochdruckgebiete blockieren den Weg der Tiefdruckzonen und lenken Regenwolken konsequent an Deutschland vorbei. Genau das ist der kritische Punkt. Die entscheidende Frage lautet: Verändert der Klimawandel die atmosphärische Zirkulation so grundlegend, dass der Regen im Frühjahr zunehmend ausbleibt?
Landwirtschaft am Limit
Nach jahrelanger Trockenheit hatte es von Juli 2023 bis zum Spätherbst 2024 deutlich mehr geregnet als gewöhnlich. Somit konnte die diesjährige Vegetationsperiode mit gut gefüllten Wasserspeichern beginnen. Davon profitieren bislang vor allem die tiefer wurzelnden Pflanzen und Wälder. Für sie wird es erst problematisch, wenn die Trockenheit in den kommenden Monaten anhält.
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Seit Anfang Februar erlebt Deutschland nun aber eine ungewöhnlich langanhaltende Trockenperiode. Tiefdruckgebiete erreichen Mitteleuropa nur selten, und die wenigen Niederschläge sind regional stark ungleich verteilt. Besonders betroffen ist der gesamte Norden, einschließlich Brandenburg und Berlin.

© dpa/Patrick Pleul
Ende April und Anfang Mai entspannte sich die Lage in einem Streifen der Landesmitte und im Süden etwas – dank verbreiteter Regenfälle. Noch sind die Auswirkungen auf Landwirtschaft und Vegetation überschaubar. Doch mit jedem Tag steigen die Verdunstungsraten – und ohne weiteren Regen droht eine rasche Verschärfung. „Flächendeckender Niederschlag ist dringend nötig“, so Brömser.
Bis zum 9. Mai fielen im bundesweiten Schnitt lediglich 61,5 Liter Regen pro Quadratmeter – das entspricht nur 37 Prozent der üblichen Menge im Vergleichszeitraum von 1991 bis 2020. Inzwischen hat sich ein gewaltiges Niederschlagsdefizit aufgebaut: Im Mittel fehlen rund 100 Liter pro Quadratmeter. Bislang liegen wir noch rund 25 Liter pro Quadratmeter unter dem bisherigen Negativrekord aus dem Frühjahr 1893.
Besonders angespannt ist die Lage im Norden. „Im Oberboden sehen wir aktuell teils eine außergewöhnliche Dürre“, warnt DWD-Meteorologe Nico Bauer. Die Folgen für die Landwirtschaft könnten gravierend sein.
Wenn es bis Ende Mai nicht zu nachhaltigen Niederschlägen kommt, wird die Lage für die Landwirtschaft zunehmend kritisch.

Andreas Brömser Andreas Brömser arbeitet beim Deutschen Wetterdienst in der Abteilung Agrarmeteorologie und ist dort für agrarmeteorologische Vorhersagen, Rückblicke und Medienanfragen zuständig.
Die Ursache der anhaltenden Trockenheit ist eine blockierende Wetterlage mit einem mächtigen Hochdruckgebiet über Westeuropa, das sich bis in große Höhen erstreckt. Dieses hatte sich zuletzt nahe der Britischen Inseln etabliert. Während im westlichen Mittelmeerraum dadurch teils kräftige Regenfälle auftraten, dominierte in Deutschland wochenlang sonniges und weitgehend trockenes Wetter.
Banger Blick in den Sommer
Mit Sorge blickt Brömser auf die kommenden Sommermonate. Denn ausgedehnter, gleichmäßiger Landregen, der tief in den Boden eindringt, ist in der warmen Jahreszeit selten geworden. Der Grund: Tiefdruckgebiete mit feuchter Regenluft werden zunehmend von ihrer typischen Zugbahn abgelenkt, wenn ein blockierendes Hoch sie nach Norden oder Süden um Mitteleuropa herum lenkt. So entstehen andernorts wechselhafte Wetterlagen mit kräftigen Regenfällen, etwa aktuell im westlichen Mittelmeerraum – während es in Deutschland sonnig und weitgehend trocken bleibt.

© dpa/Julian Stratenschulte
Eine grundlegende Veränderung durch den Klimawandel sieht Brömser in den gesamten Niederschlagsmengen im Frühling und Sommer bislang nicht – diese hätten sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Auffällig sei allerdings, dass sich insbesondere im Frühjahr von etwa 2010 bis 2022 eine Häufung trockener Phasen beobachten ließ. Für belastbare Aussagen zum langfristigen Trend sei der betrachtete Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren jedoch noch zu kurz.
Steckt der Klimawandel dahinter?
Ob sich die zunehmende Frühjahrstrockenheit zu einem dauerhaften Muster entwickelt, ist nach Einschätzung von Brömser noch unklar. Langfristige Klimamodelle prognostizieren für die Vegetationsperiode insgesamt zwar relativ konstante Niederschlagsmengen – doch das allein ist trügerisch. Denn gleichzeitig steigen die Temperaturen durch den Klimawandel weiter an. Mit jedem zusätzlichen Grad erhöht sich die Verdunstung um etwa sieben Prozent. Um den gleichen Feuchtegehalt im Boden zu erhalten, müsste es also deutlich mehr regnen – ein solcher Zuwachs wird jedoch in Deutschland nicht erwartet.

© Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ I Tagesspiegel/Rita Boettcher
Erschwerend kommt hinzu, dass die zusätzliche Energie in der Atmosphäre durch die Erderwärmung die Wolkenbildung beschleunigt. Das führt dazu, dass es zwar punktuell stärker regnet, die Niederschläge aber seltener werden. Auf lange Sicht deutet vieles auf eine Zunahme längerer und häufigerer Trockenphasen hin.
Gleichzeitig bleibt das Klima volatil: Einzelne Jahre wie 2023/24 können auch gegenteilige Extreme bringen – mit zeitweise zu viel Wasser. Der häufige Wechsel zwischen zu nassen und zu trockenen Jahren gilt in der Forschung als deutliches Zeichen des Klimawandels, punktuelle Trockenheit und Starkregen mit Hochwasser lösen einander ab.

© dpa/Sina Schuldt
Auch DWD-Experte Nico Bauer hält einen Zusammenhang zwischen langanhaltender Trockenheit und dem Klimawandel für plausibel. Zwar zeigen Studien, dass blockierende Hochdrucklagen in den mittleren Breiten Europas infolge des Klimawandels tendenziell seltener auftreten. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie, wenn sie entstehen, deutlich länger andauern.
In höheren Breiten hingegen werden blockierende Wetterlagen häufiger beobachtet. Als Beispiel nennt Bauer den außergewöhnlich trockenen Sommer 2018, als sich immer wieder stabile Hochdruckgebiete über Skandinavien bildeten, was spürbare Folgen für Mitteleuropa hatte.
Ein Hoffnungsschimmer?
Aktuelle Wettermodelle sagen für die kommende Woche erste Regenfälle voraus. Im Osten sind zudem einzelne Schauer und Gewitter zu erwarten, lokal sind 5 bis 20 Liter pro Quadratmeter möglich. Für die zweite Wochenhälfte deuten einige Modelle auf Regen im Süden hin. Dennoch dürfte dieser Regen den stark ausgetrockneten Böden vorerst kaum spürbare Entlastung bringen.
Eine Trendwende ist nicht in Sicht: „Der Regen reicht bei Weitem nicht aus, um das Niederschlagsdefizit auszugleichen”, schreibt DWD-Meteorologe Markus Übel in einer aktuellen Analyse.
Langfristig ist noch alles offen: Einige Modelläufe deuten bereits auf die nächste blockierte Hochdrucklage hin, während andere einen nassen Juni prognostizieren. Die spannende Frage ist nun, ob der Niederschlag bis zum Monatsende ausreichen wird, um das Jahr 2025 doch noch vor dem Titel „trockenstes Jahr seit Messbeginn“ zu bewahren. Denn theoretisch sind auch Wetterlagen möglich, die das Defizit in wenigen Tagen ausgeglichen würden.