Schulfach „Geld“?: Diese Finanzpädagogin ist dagegen
Frau Aprea, das Deutsche Jugendinstitut empfiehlt, 13-Jährigen ein Taschengeld von bis zu 30 Euro pro Monat auszuzahlen. Was haben Sie sich als 13-Jährige gekauft?
Vor allem Klebebildchen, Bücher und Klamotten. Und natürlich Süßigkeiten. Heute würde ich mir vermutlich digitale Dinge kaufen, kostenpflichtige Apps, Abonnements oder eine Handyhülle. Und bestimmt auch heute noch Süßigkeiten.
Tatsächlich geben Kinder zwischen dem 6. und 13. Lebensjahr am meisten Taschengeld für Süßigkeiten, Essen und Getränke aus. Danach verschieben sich aber die Prioritäten. Dabei geraten viele Jugendliche in die Schuldenfalle. Laut der Schuldnerberatung des Wohlfahrtsverbands Caritas ist etwa jeder fünfte Teenager im Minus. Ließe sich das durch Aufklärung verhindern?
Aufklärung ist sicherlich wichtig. Wenn ich mit Schuldnerberatungen spreche, höre ich oft, dass einige Jugendliche über ihre Verhältnisse leben. Wenn ein Friseur-Azubi 700 Euro im ersten Ausbildungsjahr zur Verfügung hat, kann er sich eigentlich kein 1200 Euro teures Tattoo leisten, lässt es sich aber vielleicht trotzdem stechen. Wir leben in einer Konsumgesellschaft, und da ist es wichtig, Versuchungen zu widerstehen.
Zur Person

© Stephan Leifken
Carmela Aprea ist Professorin für Wirtschaftspädagogik an der Universität Mannheim und Direktorin des Mannheim Institute for Financial Education (MIFE).
Das MIFE wurde 2021 von der Universität Mannheim und dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung gegründet. Es untersucht, wie Menschen aller Altersgruppen finanzielle Entscheidungen treffen und wie gezielte Bildungsmaßnahmen sie dabei unterstützen können.
Ist das schon Finanzbildung?
Dafür zu sensibilisieren, was man wirklich braucht und welche Konsequenzen mit finanziellen Entscheidungen verbunden sind, ist ein Teil von Finanzbildung. Es geht aber auch um das grundlegende Wissen, welche Rolle Finanzen in unserem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System spielen. Derzeit erfahren wir schmerzlich, dass unsere ganze Gesellschaft auf Finanzen aufbaut.
Wenn die Kapitalmärkte durchdrehen, aus welchen Gründen auch immer, hat das für jeden reale Konsequenzen, weil es letztlich um Geld geht. Geld ist vielleicht nicht alles, aber Geld ist eine Ressource, die einem Möglichkeiten gibt. Kein Geld zu haben, bedeutet meistens, weniger Möglichkeiten zu haben. Finanzbildung ist deswegen für mich eine Kernkompetenz im 21. Jahrhundert.
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Viele junge Erwachsene fühlen sich von der Schule unzureichend auf den Umgang mit Geld vorbereitet. Ab wann sollten Kinder und Jugendliche etwas über Finanzen lernen?
Es bringt natürlich nichts, Schülern Details zur Immobilienfinanzierung beizubringen, oder wie man Bausparverträge abschließt. Das können Kinder nicht anwenden und vergessen es wieder. Kleineren Kindern kann man den Umgang mit Geld spielerisch beibringen. Ab dem Alter von 12 bis 13 Jahren kann man anfangen, Kindern Orientierungswissen zu vermitteln. Nach welchen Logiken funktionieren Geldflüsse, warum sind Finanzprodukte Vertrauensgüter und was bedeutet das für die Marktteilnehmer? Und vor allem: Was bedeutet Geld für mich, was will ich damit machen, was ist mir wichtig. Das hilft Schülern später dabei, Finanzprodukte wie einen Bausparvertrag einzuordnen und Entscheidungen zu treffen.
Die Kinderkommission diskutierte letzten Sommer über die Einführung eines Schulfachs Finanzbildung, etwa zum Sparenlernen. Der Bildungsjournalist Bent Freiwald spricht sich gegen neue Schulfächer aus, so auch gegen praktische Finanzbildung als Teil eines Fachs „Alltagskunde“. Sollte die Schule vermitteln, wie man mit Geld umgeht, oder nicht?
Ich bin da bei Herrn Freiwald. Finanzbildung geht für mich über eine reine „Alltagskunde“ hinaus. Schulische Finanzbildung ist aber auch kein VWL-Studium. Wir können nicht für jedes Problem eine Lösung präsentieren, aber Kompetenzen aufbauen.
Wie stellen Sie sich das vor?
Dieser Lernprozess kann an die Lebensrealität der Schüler andocken. Wenn man damit startet, wie man ein Girokonto einrichtet, kann man im nächsten Schritt überlegen, wie man überschüssiges Geld an der Börse in Aktien anlegen kann und dann den Kapitalmarkt in seiner wirtschaftlichen und politischen Dimension erkunden. So stelle ich mir gute Finanzbildung vor.
Das Problem ist: Dafür brauchen wir Lehrkräfte, die das unterrichten können. Und wenn wir kein Schulfach „Wirtschaft und Finanzen“ haben, dann ist im derzeitigen System der Lehrkräftebildung eher unwahrscheinlich, dass kompetente Lehrpersonen ausgebildet werden. Daher hat die Forderung nach einem Schulfach durchaus Sinn, auch wenn sich das nicht in Alltagskunde erschöpfen darf.
Im Entwurf des Koalitionsvertrags steht, dass Schüler zur Gründung von Schülerfirmen ermutigt werden sollen. Braucht es mehr Unternehmergeist in der Schule?
Vielleicht ist das eine Reaktion darauf, dass die Neigung zur Selbstständigkeit bei jungen Leuten zunehmend zurückgeht. Das hat sicher auch mit den Erfahrungen während der Corona-Pandemie zu tun. Ob Schülerfirmen jetzt ein Allheilmittel gegen den abnehmenden Unternehmergeist sind, würde ich bezweifeln. Es ist aber sicher nicht verkehrt, wenn Schüler praktische Erfahrungen sammeln. Das kann in einer Schülerfirma passieren, aber auch in einem gut angeleiteten Praktikum oder einer Reflexion des eigenen finanziellen Handelns. Das betrifft schließlich alle, nicht nur die Selbstständigen.
Schüler treffen heutzutage in den sozialen Medien auf Finfluencer, also Finanz-Influencer. Wie bewerten Sie das?
Laut einer Umfrage der Bafin wussten letztes Jahr 37 Prozent der Erwachsenen unter 45 Jahren nicht, dass „Finfluencer“ kommerzielle Eigeninteressen verfolgen. Sie müssen das auch nicht offenlegen und keine Qualifikationen nachweisen. Es ist wahnsinnig wichtig, dass es eine unabhängige Finanzbildung gibt, die solche Inhalte kritisch einordnet. Generell sollten immer die Alarmglocken klingeln, wenn jemand eine hohe Rendite bei geringem Risiko verspricht. Das gibt es nicht. Die Chance auf einen hohen Gewinn drückt aus, dass das Risiko sehr hoch ist.
Die Aktienkurse befinden sich durch die Zoll-Politik des US-Präsidenten Donald Trump auf einer Achterbahnfahrt, viele junge Anleger, haben kurzfristig viel Geld verloren. Hätte Finanzbildung vor Verlusten schützen können?
Wir können Menschen vielleicht beibringen, Kapitalmärkte besser zu verstehen, aber wir verteilen keine Glaskugeln. Auch gestandene Finanzexperten haben nicht unbedingt damit gerechnet, dass Trump seine Ankündigungen in dieser Form umsetzt. Deswegen muss sich da niemand Vorwürfe machen. An den Kapitalmärkten geht es immer wieder auf und ab, das gehört dazu. Wir sollten junge Menschen aber dazu befähigen, die Lage zu analysieren.