Der letzte Mumpitz

Von Robert Musil stammt die Beobachtung, dass alte Freunde sich in Wahrheit gar nicht leiden können. Tatsächlich hat man den Eindruck, dass Männer, die sich aneinanderklammern, oft wirken, als sei ihnen die Nähe eigentlich peinlich – ja als nähmen sie dem anderen sein penetrantes Dasein insgeheim übel. Denken wir an die Tatort-Kommissare Leitmayr und Batic und an die Allergrößten, an Laurel und Hardy: Wenn sie ausnahmsweise mal nicht zusammenhocken, rollt der eine mit den Augen, sobald der Name des anderen fällt.

Dieses Schicksal haben sich Elon Musk und Donald Trump erspart. Nach 130 Tagen trennten sich die beiden vorerst. Nun sind 130 Tage weltpolitisch momentan eine sehr lange Strecke. Die von Trump beherrschte Zeit vergeht viel schneller als normale Zeit. Rasend wechseln sich Momente des Entsetzens mit solchen der Burleske ab, kaum ist ein Handelskrieg beendet, beginnt der nächste, gerade noch hat er Putin gedroht, da beschmust er ihn schon wieder. Kurzum, die 130 Tage von Musk im Weißen Haus sind historisch mindestens so gewichtig wie vier Scholz-Jahre im Kanzleramt. Und so wurde Musk im Weißen Haus jetzt verabschiedet wie eine Epochenfigur.

Üblicherweise verschwendet Donald Trump keine Zeit mit Gemütlichkeit und jagt ehemalige Vertraute rabiat vom Hof. Hier nun wurde ein Gefährte mit Respekt und nougatweicher Stimme verabschiedet. Ja, Musk erhielt vom Präsidenten sogar einen goldenen Schlüssel, den er zart aus einer alten Holzkiste hob, als wär's eine Schmiedearbeit, die Columbus persönlich in Auftrag gegeben hatte.

Unablässig nickend ließ Musk sich vom Präsidenten mit rhetorischen Kosereien übergießen: Einer der tollsten Menschen, die die Erde je hervorgebracht habe, sei dieser Elon. Musk hörte es versonnen und entwaffnet, er stand neben dem sitzenden Trump, demütig wie ein Kellner, der versucht, sich die umständliche Bestellung eines sehr launischen Gastes zu merken.

Ja, Musk stand, wie er meistens stehen blieb, die Kabinettsmitglieder überragend und somit dezent verspottend, er hatte im Gegensatz zu ihnen viel zu tun, er musste ja gleich weiter – ein durchreisender Wirbelwind mit der Mission, draußen keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Es würde sich nicht lohnen, sich hinzusetzen und die Mütze abzunehmen.  

Der Präsident braucht allen Sauerstoff

Man hatte sich zu Beginn dieser Liaison gefragt, was das für eine Männerfreundschaft sein und wie lang sie halten würde. Ist Trump zu Freundschaft überhaupt fähig? Eine BBC-Kommentatorin meinte unlängst, der Präsident verbrauche allen Sauerstoff im Raum, in anderen Worten: Er dulde niemanden neben sich. Trump pflegt wohl am ehesten Einkaufsfreundschaften: Man kann sich einen Platz an seiner Tafel kaufen und wird dafür, so Gott will und der Präsident nicht gerade unterzuckert ist, vorzugsweise behandelt oder, falls nötig, begnadigt und protegiert. Aber man weiß, dass dieser Gunst nicht zu trauen ist, da sie jederzeit wieder entzogen werden kann.

Doch die Nähe Trumps zu Musk hielt: Zwei sogenannte Disruptoren, egozentrische, unberechenbare, von Eigenschaften wie Zweifel, Empathie, Mitgefühl nicht belastete Männer erkannten am Wahnsinnsblitz im Auge des anderen, dass sie zueinander gehörten. Sie erkannten den anderen als grandiose Gelegenheit zur Bereicherung. Trump, der in einem Kriegsgebiet nicht das Leid, sondern bloß die günstige Immobilie sieht, und Musk, der in Gedanken schon auf dem Mars ist und von dort auf uns herabblickt – sie waren füreinander geschaffen.     

Zwei Männer, die nicht mit Intelligenz oder Charisma verblüffen, sondern mit Chuzpe und Unvorhersehbarkeit: Gemeinsam bildeten sie ein Varieté der Unverfrorenen, der Machtsadisten. Siegfried und Roy, die keine Bestien neben sich duldeten, die Rolle der Raubtiere spielten sie schon selbst. Weltherrschaft als Show. Und Musk schwang dazu die Kettensäge, als wäre sie eine E-Gitarre: ein Rockstar, der das Chaos als Bedingung der Freiheit feierte. Und der dabei a good time haben wollte.

Nun trennen sich die beiden – vorerst. Musk inhalierte dann wohl doch zu viel von dem Sauerstoff, den Trump für sich beansprucht. Das Wüten von DOGE, der externen Sparkommission, der Musk vorstand, soll aber auch ohne ihn, in seinem Geist, weitergehen. Das blaue Auge, das ihm nach eigener Aussage sein fünfjähriger Sohn geschlagen hatte, erschien dabei wie ein von ihm selbst entworfenes Zeichen der Unverdrossenheit: Hier ist ein Recke, der sich im Dschungel der Bürokratie wacker geschlagen hat – und der mit frischer Kraft zurückkehren wird.

Beschädigt sei Musk, schreiben nun viele politische Kommentatoren, er habe sein Ziel, die Reduktion unnötiger Ausgaben, kaum erreicht und mit seinen Kürzungsexzessen nur neue Kosten verursacht und unzählige Menschen ins Unglück oder sogar in den Tod gestürzt. Doch Musk ist von all dem unbeeindruckt. Die kleine Wunde am rechten Auge wirkt, so gesehen, wie die lustige Blessur einer an sich unzerstörbaren Comicfigur, die neue Superhelden in ihrem Haus heranzieht. Ja, man könnte den ganzen Auftritt von Trump und Musk im Weißen Haus so deuten: Verwunden können Leute unserer Größe nur wir selbst.   

Timothy Snyder, der US-amerikanische Historiker, der nun in Kanada lehrt, hatte den Zusammenschluss von Musk und Trump mit dem Begriff MUMP gekennzeichnet. Was aus dem Wirken der beiden entstehe, sei Mumpismus, eine psychische Krankheit, in deren Verlauf das Volk lernen solle, sich denen dankbar zu erweisen, die ihnen Schmerzen zufügen. MUMP, zwei Namen, semantisch zu einem Stew eingestampft, nicht auseinanderzuhalten. Damit ist es vorerst vorbei. Trump hat Musk, nun ja, in Ehren entlassen. Aber den Schlüssel zur Macht hat er ihm mitgegeben.