Das Schweigen im Hof: Wie ich nach dem 7. Oktober isoliert wurde
Ich habe die Klänge aus unserem Hinterhof immer geliebt. Kinderlachen, Spiellärm und Geschrei. Früher wurde ich dort oft von einer Traube von Kindern empfangen. „Warum kannst Du nicht laufen?“, fragten sie, als ich mit meinem Rollstuhl ankam. „Wie alt ist Dein Hund?“ – „Düffen wir den streicheln?“ – „Wie alt bist Du?“
Als sie die Kette um meinen Hals: „Wie schön! Was ist das?“ – „Na eine Sternschnuppe“, sagten einige. Ich sagte, dass der Davidstern das Zeichen der Gruppe sei, der ich angehöre. „Bist Du Christin oder Muslima“, fragten sie. Ich erklärte, dass ich Jüdin sei. Mittlerweile bleiben diese Gespräche aus.
Kurz nach dem 7. Oktober kamen die Kinder noch entsetzt zu mir gerannt: Jugendliche hätten gegen meine Rollstuhlgarage gepinkelt. Eine Wand der Garage fungiert als Tafel, sodass die Kinder eine große Fläche zum Malen haben. Mit den Erwachsenen war es anders. Mit dem Hamas-Überfall empfand ich mit Ausnahme meines Lieblingsnachbarn schlagartig eine Reserviertheit. Mir war unbehaglich zumute. Dann erschienen, wenig verwunderlich, die ersten Graffiti zu Palästina und Gaza in unserem Hof.
Was allerdings verwunderlich war: Sie wurden überstrichen. Der Lieblingsnachbar klärt mich kurze Zeit später auf. Er habe die Schriftzüge übermalt, weil er wolle, dass ich mich wohlfühle. Es sei ihm egal, ob die anderen deshalb sauer auf ihn seien. Vielleicht war das Ganze eine unglückliche Aktion – als Geste schätze ich sie trotzdem. Das Problem ist nur, dass mich meine Nachbarinnen und Nachbarn seither vollständig ignorieren. Die Kinder gehen auf Abstand.
Ab und an grüßt mich eines von ihnen noch verstohlen auf der Straße. Davon abgesehen begegnet mir nur noch Schweigen. Das ist jetzt anderthalb Jahre her, und die soziale Kälte im Hof ist kaum noch auszuhalten. Ich hoffe, es ist nur für mich so still geworden, nicht auch für den Nachbarn, der es so gut mit mir meinte.