Nach Barbie und Brat kommt jetzt der Lorde-Sommer

In ihrem Podcast „News Core: Politik bis Popkultur“ unterhalten sich Imke Rabiega und Julian Theilen über Trends und aktuelle Debatten. Das folgende Transkript ist eine gekürzte Essenz der Podcastfolge „Lorde Summer und Dating-Burn-out“.

Imke: Lorde, die neuseeländische Pop-Künstlerin, und Charli XCX haben auf der Hauptbühne beim Coachella-Festival zusammen ihr Lied „Girl, so confusing“ performt. Das war ein absoluter Peak-Moment. Das Lied handelt ja von ihrer eigentlichen Rivalität, also Charli XCX singt darüber, dass sie sich oft eingeschüchtert fühlt von Lorde, weil sie so oft miteinander verglichen werden, auch aufgrund ihres ähnlichen Typs, aber auch, da sie beide im Pop versuchen, etwas anders zu machen. Das Coole ist aber, dass Charlie XCX und Lorde nicht in diese krasse Konkurrenz reingehen, sondern freundschaftlich bleiben und damit das Konzept der Rivalität von Frauen und, dass zwei Frauen nie das Gleiche machen dürfen, auf den Kopf stellen. Jetzt geht Charlie XCX noch einen Schritt weiter auf dem Coachella-Festival.

Julian: Sie spricht quasi in Empfehlung für Lorde als nächsten Sommerstar aus.

Imke: Das ist das Tolle an Charli XCX. Sie ist eine absolute Community-Bilderin. Ich glaube, das ist auch das, was den Brat-Summer letztes Jahr so erfolgreich gemacht hat. Deshalb kann sie das jetzt auch abgeben.

Julian: Sie gibt den Staffelstab weiter.

Imke: Klar, aber das hatte wahrscheinlich auch noch andere Gründe. Ich glaube, dass der Brat-Summer einen Nerv getroffen hat. Ein Teil des Brat-Summers war auch das Community-Building und dass Charlie XCX nicht nur alles für sich macht, sondern andere Künstlerinnen mit hochzieht. In dem Fall Julia Fox, Alex Consani oder The Dare.

Julian: Lorde ist ja gerade auch generell dabei, auf sich aufmerksam zu machen. Warum tritt man beim Coachella auf? Weil man ein neues Album promoten will. Auf dieses Album warten die Fans ja schon seit vier Jahren, oder? Und vor vier Tagen kam dann sogar noch ein größerer Teaser und ein neuer Song, der heißt: „What was that?“

Imke: Lorde ist ja vor vielen Jahren bekannt geworden durch ihren Song „Royals“. Und dann hat sie sich zu einer der bedeutendsten Pop-Sängerin weltweit entwickelt. Aber sie steht auch dafür, dieses schnelllebige Pop-Geschäft immer wieder zu kritisieren und das macht sie auch durch ihr eigenes Leben, indem sie sich selten in der Öffentlichkeit zeigt, sich die Zeit nimmt für ihre neue Musik, die sie braucht. Jetzt verdichten sich aber seit Anfang 2024 die Zeichen dafür, dass bei ihr ein neues Album ansteht. Sie hat sich sogar extra einen TikTok-Account gemacht und kleine 15-sekündige Snippets angeteasert. Dann kam die Premiere ihres Songs in New York am Washington Square Park. Dazu hatte sie ihren Fans kurz vor dem Veröffentlichungsdatum eine Nachricht geschickt und gesagt, dass sie alle dort zusammenkommen sollen, weil sie dort ihr neues Lied performen würde. Tatsächlich kamen super viele Leute in den Washington Square Park, aber es waren viel zu viele, sodass die ganze Sache von der Polizei aufgelöst wurde. Die Leute haben trotzdem einfach dort gefeiert und sind da geblieben. Lorde kam dann noch mal zurück, hat sich über die Polizei hinweggesetzt und auf einem Tisch in der Menge getanzt. Das sieht man jetzt auch im offiziellen Musikvideo zu ihrem neuen Song. Schon irgendwie sehr gelungen.

Julian: Ihr letztes Album „Solar Power“ hat ja eher polarisiert, weil es ziemlich experimentell war. Die Fans freuen sich jetzt, dass sie wieder die alte Lorde aus dem gefeierten Album „Melodrama“ hören. Also Emotionen, Energetik, Drama. Und es geht in „What was that?“ um die Erinnerung an eine gescheiterte Romanze.

Imke: Ja, wir können ja mal kurz reinhören. Sie singt unter anderem …

Lorde: „MDMA in the back garden, blow our pupils up/ We kissed for hours straight, well, baby, what was that?/ I remember saying then, ‚This is the best cigarette of my life‘/Well, I want you just like that.“

Imke: Insgesamt geht es um die Erinnerung an diesen rauschartigen Zustand von Verknalltheit.

Julian: Eine Pro-Einstellung zu Rausch, Coke, MDMA und Zigaretten ist jetzt schon das zweite Jahr in Folge Teil des Sommerhits. Obwohl wir auf der anderen Seite den Clean-Sober-Trend haben. In einigen TikToks sagen Fans allerdings, dass sie diese Form des Hedonismus eher als politisches Statement lesen und weniger als Aufforderung zum Konsum.

Imke: Einige TikToks erklären auch, dass sie die Partykultur nicht als persönliche Aufforderung sehen, sondern eher als Gegenentwurf zu den politisch Rechten. Gerade rennt ihre Zielgruppe den Alpha-Males und Trad-Wives hinterher.

Julian: In der Online-Pop-Kultur malt man sich jetzt auf jeden Fall schon mal den Lord-Summer aus. Was könnte das stilistisch bedeuten? Chiller-Looks mit weiten Jeans und Oversize-Shirts. Der Lord-Summer steht eher für lange Haare, Normcore-Klamotten und eine Art launische Energie. Und Lord-Summer bedeutet, einen heißen Typen zu treffen und ihn dann nie wiederzusehen. Es geht auch darum, dass man nicht mehr wie in seinen Anfang-20er-Jahren den ganzen Tag auf Partys geht und Zigaretten raucht, sondern etwas bewusster damit umgeht.

Imke: Ich habe auch das Gefühl, es geht schon um ein Wiederbeleben des Teenager-Daseins, aber mit besseren Jeans und einem stärkeren Selbstbewusstsein. Der Brat-Summer war eher dieses komplette Freidrehen, also die Anfang-20er. Und der Lorde-Summer sind so die späten 20er-Jahre, wo man realisiert, dass man aus diesem Freiheitsgefühl das Gute mitnehmen kann, aber sich dafür nicht komplett kaputt machen muss. Ich glaube, das wird sehr befreiend sein. So wie beim Brat-Summer nach dem ebenfalls relativ hochstilisierten Barbie-Summer ist es der Höhepunkt unserer popkulturellen Obsession, die Hymne für den Sommer zu finden und das Thema des Sommers für alle festzulegen.

Julian: Warum ist das so ein Bedürfnis?

Imke: Es gibt diese Lebendigkeit, die unter ein bestimmtes Motto kanalisiert werden muss. Unter dem Motto kann man sich dann gehen lassen. Lorde versucht, diesen Mechanismus für sich zu nutzen und das System umzudrehen: Der Sommerhit entsteht jetzt nicht mehr organisch aus dem Gefühl des Sommers heraus, sondern das Gefühl des Sommers wird vorgegeben von dem Sommerhit. Ich bin gespannt, ob die Strategie auch so rum aufgehen kann.