Das alte Spiel mit Putin

"Der Präsident ist ein sehr geduldiger Mann", sagte US-Außenminister Marco Rubio am Dienstag im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über Donald Trump. Nun, so kann man es wohl auch sehen, wenn zwar seit einiger Zeit der Ton gegenüber Russland härter wird, zugleich aber Frist um Frist verstreicht und angedrohte Konsequenzen ausbleiben. Ansonsten ist der US-Präsident ja gerade nicht für seine strategische Langmut bekannt. Die Gefahr, dass Trump die Geduld verliert, prägt seine Politik von jeher.

Dass er nun also verkündet, die Ukraine könne ihr gesamtes Territorium zurückerobern, und seinen Außenminister mit Sanktionen und Waffenlieferungen drohen lässt, ist erst einmal mit vielen Fragen verbunden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nennt die neue Haltung nach einem Treffen mit Trump in New York am Rande der UN-Generalversammlung einen "Gamechanger". Vielleicht stimmt das, aber für wen eigentlich? Und was folgt daraus?

Bisher sah es doch eher so aus, als könne es Trump nicht schnell genug gehen, dass in der Ukraine endlich Ruhe herrscht. Zur Not, indem man keine Waffen mehr liefert, das Land in einen schmutzigen Frieden mit Russland zwingt, also Putin im Grunde für seine Aggression belohnt, um wieder mit ihm ins Geschäft zu kommen. Im Weißen Haus hatte Trump Selenskyj rundgemacht, er hatte seinem ukrainischen Gast zu verstehen gegeben: Du hast hier nicht die Karten in der Hand. Und Putin hatte er mit einem Gipfel hofiert, damit Verhandlungen in Gang kommen – wobei die US-Regierung einhellig die Linie vertrat: Die Ukraine würde Territorium abgeben müssen, um den Krieg zu beenden.

Inzwischen scheint Trump begriffen zu haben, dass er beim russischen Herrscher so nicht weiterkommt. Und dieser Frust schlägt sich nicht zum ersten Mal in gehässiger Rhetorik nieder. Schon vor Wochen beklagte der US-Präsident: "Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, werden wir von Putin mit jeder Menge Bullshit beworfen." Was ja auch stimmte: Der verschleppte nicht nur genüsslich, was Trump als Friedensprozess verstand, sondern warf auch weiterhin alles in den Krieg mit der Ukraine, was die Arsenale hergeben. Trump musste zuletzt eingestehen, Putin habe ihn "hängen lassen".

Jetzt also die Kehrtwende? Jedenfalls sei die Geduld des US-Präsidenten nicht unendlich, ließ sein Außenminister Rubio wissen. Es werde den Moment geben, an dem man festhalten müsse, dass es kein Interesse an einer friedlichen Lösung gebe. Dann habe Trump "reale Optionen", die er auch zu nutzen gedenke. Sprich: neue Sanktionen und zusätzliche Waffenlieferungen. Abgesehen davon, dass Putin weiterhin unmissverständlich zeigt, dass ihn eine friedliche Lösung nicht interessiert: Ob das wirklich mehr ist als ein weiteres unbestimmtes Ultimatum, dem kein Handeln folgt, erscheint fraglich. Passiert ist schließlich noch nichts.

Den Krieg "voll und ganz verstanden"

Ja, Selenskyj scheint seinen Draht zu Trump gefunden zu haben, muss sich nicht mehr demütigen lassen. Womöglich hat er es zusammen mit den Europäern sogar geschafft, dass der US-Präsident seine Hausaufgaben macht. Den Post auf seinem Netzwerk Truth Social mit seinen neuen Überlegungen zum Kriegsverlauf leitete Trump so ein: Nachdem er um die militärische Lage der Ukraine und Russlands wisse und sie "voll und ganz verstanden" habe ... spät, aber immerhin. Doch die Skepsis, wie lange diese Erkenntnis wohl anhalten mag, konnte auch Rubio nicht vertreiben. Wer weiß schon, ob Trump nicht nach dem nächsten Telefonat mit Putin wieder ganz anders denkt. Dem gelingt es ja immer wieder erstaunlich leicht, ihn hinzuhalten oder neu zu programmieren.

Vielleicht muss man es da schon positiv sehen, wenn Trump augenscheinlich noch nicht vollends das Interesse an diesem Krieg verloren hat, weil sein schneller Deal eben nicht klappt. Aber ob er sich wirklich damit abfinden kann, dass der Weg zum Frieden noch sehr lang sein dürfte, weiß niemand. Die Rückeroberung des gesamten ukrainischen Territoriums nennt er eine "Option", für deren Verwirklichung er aber andere in der Pflicht sieht: die Europäer, die Nato. Wobei er über die Verteidigungsallianz beinahe so schreibt, als gehörten die USA nicht existenziell dazu: Man werde der Nato weiter Waffen liefern, mit denen sie tun könne, was sie wolle. Und bezahlen sollen offenbar auch die anderen.

Dazu passt nicht zuletzt Trumps Drängen in jüngster Zeit, in Europa sollten doch endlich alle auf russisches Öl und Gas verzichten (und lieber in den USA einkaufen). Diese Forderung hatte er in seiner kolossalen Rede vor der UN-Vollversammlung noch einmal wiederholt: "Andernfalls verschwenden wir alle viel Zeit." Und die Europäer? Ihnen bleibt wenig anderes, als zuzustimmen, ihren Teil beizutragen und zu hoffen, dass der US-Präsident es ernst meint. Ja, das sei alles richtig, hielt die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas fest: "Ja, wir sollten aufhören, russische Energie zu kaufen. Ja, die Ukraine sollte den Krieg gewinnen."

Letzteres allerdings könnte dann doch zu optimistisch interpretiert gewesen sein als gemeinsame Linie mit Trump. Dessen Vision einer Rückeroberung russisch besetzten Territoriums kassierte Außenminister Rubio später recht trocken wieder ein. Der Krieg in der Ukraine könne nicht militärisch beendet werden – "er wird am Verhandlungstisch enden". Das klang schon wieder weniger nach Gamechanger als vielmehr nach dem alten Spiel mit Putin. Alle werden wohl noch etwas Geduld aufbringen müssen.