Bauen könnte so viel einfacher sein
Es sind nur ein paar Worte, doch bei manchen in der Immobilienbranche lösen sie Euphorie aus. Auf Seite 23 des Koalitionsvertrags versprechen Union und SPD, die Baustandards zu vereinfachen und den sogenannten Gebäudetyp E rechtssicher zu machen. "Das wäre ein echter Durchbruch für den bezahlbaren Wohnungsbau", sagt Rolf Buch, der scheidende Chef von Vonovia, . Deutschlands größter Wohnungskonzern will künftig wieder mehr Wohnungen bauen. Und zwar im besten Fall einfacher, schneller und günstiger als bisher.
Über kaum ein Problem sind sich so viele Akteure aus Politik und Wirtschaft einig wie darüber, dass Bauen in Deutschland zu lange dauert, zu teuer und zu kompliziert ist. Schon die Ampel-Koalition wollte das ändern. Doch ihr Gesetz, das das Bauen endlich einfach machen sollte, schaffte es nicht mehr durch den Bundestag. Nun will Schwarz-Rot einen neuen Anlauf unternehmen. Immerhin fehlen Ökonomen zufolge Hunderttausende zusätzliche Wohnungen pro Jahr. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen ist im vergangenen Jahr jedoch deutlich gesunken. Schon jetzt zeigen Pilotprojekte, dass einfacheres Bauen möglich ist. Die Initiative wird unter einem verheißungsvollen Begriff zusammengefasst: Gebäudetyp E. Wobei das E wahlweise für einfach, effizient oder gar experimentell steht. Ist das die Lösung für den Wohnungsmarkt?
Seit etwa zwei Jahren läuft die Diskussion über einfaches Bauen bundesweit unter dem Schlagwort Gebäudetyp E. Den Begriff hatte eine Arbeitsgruppe der bayerischen Architektenkammer geprägt, und er hat seitdem eine steile politische Karriere hingelegt. Er bezieht sich nicht auf eine bestimmte Art Haus – sondern beschreibt generell den Ansatz, die immer weiter gestiegenen Anforderungen beim Bauen zurückzuschrauben. Die Idee: Wenn ein Haus neu gebaut oder umgestaltet wird, muss nicht immer die modernste Gebäudetechnik her, nicht der perfekte Schallschutz, nicht die dickste Dämmung. Wichtig ist, dass Menschen gut und sicher in Häusern wohnen können, auch wenn diese nicht alle Standards erfüllen. Schließlich lässt es sich auch in Altbauten gut leben.
Ein Haufen Regeln, der sich regelmäßig ändert
Bisher ist es so: Wird in Deutschland ein Haus gebaut, hat kaum jemand den Überblick, wie viele Regeln eigentlich zu beachten sind. Das liegt daran, dass Gerichte in einem Streitfall auf die sogenannten "allgemein anerkannten Regeln der Technik" verweisen. Das sind Regeln, die Fachleute für sinnvoll halten. Darunter fallen Tausende DIN-Normen – wenn auch wiederum nicht automatisch jede – aber auch Richtlinien, die die Dachdeckerverbände herausgeben. Eine allgemein anerkannte Regel der Technik muss noch nicht mal irgendwo niedergeschrieben sein. Und was Fachleute für sinnvoll halten, kann sich ändern, während ein Gebäude entsteht.
Dennoch hat eine Bauherrin den rechtlichen Anspruch, dass ihr Gebäude bei der Abnahme den aktuellen Regel-Haufen erfüllt. Davon gehen Richter zumindest aus, sofern nichts Gegenteiliges vereinbart wurde. Das gilt für Neubauten, aber auch für umfangreiche Umbauten. Andernfalls kann es passieren, dass die Planenden haften müssen. In der Praxis führt dies dazu, dass sie lieber vorsichtshalber alles erfüllen, was sich in den Regeln findet. So entstehen Häuser mit dicken Wänden, viel Technik – und hohen Baukosten.
Dabei sind längst nicht alle Regeln wichtig für die Sicherheit. Viele sind sogenannte Komfortstandards. Und die liegen mittlerweile oft hoch. "Eine gute Wohnung braucht keine 47 Steckdosen, wie es die Norm vorschreibt", sagt Vonovia-Chef Rolf Buch. Die Ampel-Regierung ging davon aus, dass Wohnungen bis zu einem Viertel günstiger sein könnten, wenn auf Komfortstandards verzichtet würde. Das jährliche Einsparpotenzial für die Wirtschaft durch ein Gebäudetyp-E-Gesetz bezifferte sie auf mehr als acht Milliarden Euro.
Zwar können Bauherr und Architektin auch jetzt schon vereinbaren, von anerkannten Regeln der Technik abzuweichen. Aber Tausende Normen durchzugehen, ist in der Praxis kaum praktikabel – und die Architektin müsste umfangreich über mögliche Folgen der Abweichungen aufklären. Auch da herrscht Unsicherheit: Wie viel Aufklärung reicht aus?