Abwarten ist keine Option

Abigail Fagan ist an der Universität Hannover wissenschaftliche Mitarbeiterin in American Studies

Julia Faisst ist Professorin für Amerikanistik und Medien an der TU Dortmund

Jennifer S. Henke ist Privatdozentin an der Universität Bonn und forscht an der Universität Hamburg

Ruth Mayer ist Professorin für American Studies an der Universität Hannover

Anna-Lena Oldehus ist Postdoktorandin in North American Studies an der Universität Freiburg

Anne Potjans forscht am Institut für Amerikanistik und Anglistik der Berliner Humboldt-Universität

Die USA arbeiten mit Hochdruck daran, sich selbst zu zerstören. Die destruktive Dynamik tritt an den Universitäten besonders deutlich zutage. Die Wissenschaftsfreiheit und die Bildungsinfrastruktur werden geschleift wie sonst nur in totalitären Regimen. Und auch in Deutschland erstarkt der Rechtspopulismus. Hier wie in den USA fungieren Hochschulen als Indikator für breitere gesellschaftliche Verschiebungen – mit Angriffen auf die Freiheit von Forschung und Lehre fängt es an. Als Amerikanistinnen und Anglistinnen sorgen wir uns besonders. An unseren Instituten sind jene Fachrichtungen überproportional vertreten, die in den USA am vehementesten attackiert und von der AfD als "Agendawissenschaften" diffamiert werden: Queer und Gender Studies, Postcolonial Studies, Critical Race Studies, aber auch Ecocriticism und die Environmental Humanities.

Was können wir also aus den Vorgängen in den USA lernen? Zunächst sieht man dort, wie schnell Maßnahmen gegen Institutionen wirken, die erfolgreich als ideologisch, verschwenderisch und unproduktiv diffamiert wurden. Das Ziel der US-Regierung ist eine umfassende Revision des Wissens und die Aufhebung der Wissenschaftsautonomie. Dabei greifen die ökonomische Kahlschlagpolitik der Abrisstruppen unter Elon Musk und das simplizistische Weltbild der MAGA-Bewegung um Donald Trump ineinander: Forschungsförderung wird eingestellt, Institutionen wie die Columbia University werden zensiert, Forschende bedroht, abgeschoben oder verschleppt. Das meiste davon wird nicht offiziell verkündet, sondern über vage Drohungen, Gerüchte und intransparente Nachrichtenketten kommuniziert. Der Erfolg dieser Politik hängt vom vorauseilenden Gehorsam von Institutionen ab, die Websites löschen, Ausschreibungen neu formulieren, Curricula umplanen und Mitarbeitende maßregeln.

Angefangen hat das alles mit Bücherverboten in Bibliotheken, mit dem Versuch, die Geschichten von marginalisierten Gruppen zu löschen, und mit der Herabwürdigung der Geisteswissenschaften als "woke" und ideologisiert. In Deutschland scheinen wir uns just in diesem Stadium zu befinden – die AfD ist dabei nur die Speerspitze einer Entwicklung. Rechtspopulistische Positionen zeigen bereits Wirkung in Wissenschafts- oder Kultusministerien, etwa im damals FDP-geführten Forschungsministerium, das erwog, Forschungsgelder für laufende Projekte aus politischen Gründen einzustellen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir das erste AfD-bestimmte Hochschulpräsidium haben. Noch fungieren die Hochschulen als Orte eines pluralistischen, offenen Austauschs. Es ist wichtig, sie darin zu stärken.

Dafür dürfen wir uns nicht auf die Uni-Leitungen und Verwaltungen verlassen, denn sie sind oft die Ersten, die sich politischen Zwängen unterordnen, wie man in den USA sieht. Dort beginnen Hochschulen nun, sich zu wehren, indem sie sich zu "defense pacts" zusammenschließen. Das muss auch die deutsche Universität lernen, die sich viel zu sehr in Kämpfen um Drittmittel und Exzellenzprojekte ergeht. Jahrzehntelang wurden hier universitäre Gremien entmachtet und Präsidien gestärkt, um ein zentrales Durchregieren zu erlauben. Diese Politik wird nun zur Gefahr. Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Institutionen aktiv schützen. Dafür müssen wir genau schauen, dass akademische Gremien (etwa Gleichstellungsausschüsse) nicht durch strategische Übernahmen ausgehebelt werden können. Wir müssen mit Institutionen vor Ort, etwa mit Verbänden oder Museen, zusammenarbeiten, um zivilgesellschaftliche Räume zu sichern und um die Universitäten in der Öffentlichkeit zu verankern. Wir müssen lokalpolitisch den Wert unserer Hochschulen als Arbeitgeber und Ausbildungsstätten deutlich machen. Und wir müssen voneinander lernen, denn in einigen Universitäten ist bereits an der Tagesordnung, was in anderen noch als Extremfall erscheint.

Für all das müssen wir uns gemeinsam mit unseren Studierenden in überregionalen Netzwerken organisieren. Abwarten ist keine Option.