Sie träumen vom Schweben? Vergessen Sie es besser
Einer der unvergesslicheren Momente in meinem Leben
ereignete sich hoch über dem Mittelmeer. Ich saß im Schneidersitz auf dem Boden
eines Flugzeugs, das kurz zuvor aus Bordeaux gestartet war. Und plötzlich
schwebte ich. Ich weiß noch, wie ich einen Druck im Kopf und ein flaues Gefühl
im Magen spürte. Und wie der Horizont meiner Wahrnehmung wegkippte – oben und
unten hatten auf einmal keine Bedeutung mehr.
Ich war schwerelos. Zumindest für 22 Sekunden. Dann fielen ich und alle um mich herum – zwei andere Journalisten, eine Mitarbeiterin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und rund 40 Wissenschaftler – wieder auf den Boden des umgebauten Langstreckenfliegers. Oder eher: Unsere Körper wurden rabiat nach unten gedrückt, fast zweimal so stark, wie es die Schwerkraft auf der Erde tut.
So läuft das bei Parabelflügen. Sie sind eine Art simulierte Weltraumreise für alle Nicht-Millionäre, die sich einen echten Trip ins All nicht leisten können – günstig sind sie mit Tausenden Euro pro Ticket trotzdem nicht. Private Anbieter und Raumfahrtagenturen führen sie seit Jahrzehnten durch. Wirklich ins All geht es dabei zwar nicht. Aber man bekommt zumindest eine Ahnung davon, wie es sich dort oben in einer Erdumlaufbahn wohl anfühlt.
Möglich macht es eine besondere Flugbahn der ausgemusterten Passagiermaschinen. Sie erinnert an eine Parabel aus dem Mathematikunterricht (denken Sie an x² und stellen Sie die Kurve auf den Kopf). Oder noch einfacher gesagt: ein umgedrehtes V mit einer sehr stumpfen Spitze. Keine Flugbahn, die ein Linienflieger je machen würde. Um sie zu fliegen, reißt der Pilot die Nase des Fliegers nach oben und startet voll durch, woraufhin die Insassen doppelt so stark nach unten gedrückt werden wie normalerweise, mit zweifacher Erdanziehung. Nur um dann, wenn die Maschine fast senkrecht nach oben rast, plötzlich die Motoren zu drosseln.
Erst rauf, dann runter
Das Flugzeug fliegt dann weiter bis zum Scheitelpunkt der Parabel. Und fällt ab da wieder zur Erde – wie ein Stein, den man in einem großen Bogen nach oben geworfen hat. Die Insassen der Maschine verlieren während dieser Zeit die Bodenhaftung, für exakt 22 Sekunden. Dann gibt der Pilot wieder Gas und reißt das Steuer hoch, bis man wieder waagerecht fliegt, wie es Flugzeuge normalerweise tun.
Sie werden jetzt vielleicht sagen: Das ist ja gar keine echte Schwerelosigkeit! Stimmt. Aber so gesehen hat noch nie ein Mensch Schwerelosigkeit erlebt, keiner und keine der hunderten Astronautinnen, die schon einmal Zeit auf der Internationalen Raumstation ISS verbracht haben.
Denn auch dort, gut 400 Kilometer über dem Erdboden, erfasst einen noch die Anziehungskraft unseres Planeten. Nur merkt man davon nichts. Denn man fliegt zusammen mit der ISS rasant in der Horizontalen, mit 28.000 Kilometern pro Stunde. Man könnte auch sagen: Statt wie auf einem Parabelflug erst nach oben und dann nach unten zu fallen, fällt man hier waagerecht – nur ist da, wo man hinfällt, nichts, was einen aufhalten könnte, weshalb man einfach immer weiter fällt.
Und physikalisch gesehen ist Fallen ununterscheidbar von Schweben, wie Albert Einstein vor mehr als 100 Jahren erkannt hat. Kurios: Selbst die Mondastronauten der Nasa sind im Grunde nur erst von der Erde weggefallen, beziehungsweise auf einer sehr lang gezogenen Erdumlaufbahn bis zum Mond gereist. Bis sie dort ankamen und auf der Oberfläche von der Schwerkraft des Mondes erfasst wurden, schwebten sie – so wie ich für kurze Zeit im Parabelflieger.